ERFURT NEUE GARTENSTADT MIT SYSTEM, WOHNBEBAUUNG TALLINNER STRASSE

Erfurt Neue Gartenstadt mit System
Erweiterung der Wohnanlage für Studierende
Wohnbebauung Tallinner Straße
Auslober Kommunale Wohnungsgesellschaft mbH Erfurt
mit TDB Landschaftsarchitektur
Mai 2018

Anerkennung

Erfurt – Nord, Thüringen-Park. Der Weg von der Tramhaltestelle zur Tallinner Straße führt vorbei an 5 – 16-geschossigen Plattenbauten aus den 1980er Jahren. Großmaßstäbliche Gebäude treffen auf grüne Innenhöfe und steinerne Plätze. Das zu beplanende Grundstück in der Tallinner Straße bildet den Übergang zwischen den angrenzenden 5-geschossigen Plattenbauten und einer Schule hin zum Grünzug Erfurts, der Gera-Aue. Die Planung auf dem Wettbewerbsgebiet zwischen der Plattenbebauung am Moskauer Platz, der Talliner Straße und dem neuen Park an der nördlichen Gera-Aue in Erfurt mittelt zwischen den beiden gegensätzlichen Standorten. Die ökonomischen Vorteile des seriellen Bauens aus dem Städtebau der DDR verbunden mit individuellen Wohnungsgrundrissen ergeben ein neues durch Freiraumqualitäten geprägtes Wohnquartier, welches sich zu dem neuen Park in der Talaue der Gera und des Mühlengrabens orientiert.
LEITGEDANKEN ZUM STÄDTEBAULICHEN ENTWURF
1. Die Promenade als Achse des Quartiers
Das neue Quartier an der Tallinner Straße haben wir entlang einer in Nord-Süd-Richtung gerichteten Achse entwickelt. Die Quartiersachse fungiert als urbanes Rückgrat und verbindet eine Folge von Höfen, die von Wohngruppen gefasst werden. Sie bildet als Shared-Space die äußere Quartierserschließung der öffentlichen Räume. Die innere Erschließung erfolgt über die Höfe, die an die Achse angegliedert sind.
2. Die Verzahnung des Grünraums mit dem Quartier
Die Bebauung des neuen Quartiers ist in offener Bauweise mit einer hohen Durchlässigkeit geplant und verzahnt so die Gera-Aue mit den Höfen und Terrassen des Quartiers. Von der Achse aus führen Gassen hin zur Gera-Aue und betonen diese Verbindung. Jedes Gebäude ist von einem grünen Innenhof umgeben. So werden über die Einfassung der Terrassierung des Geländes erholsame grüne private Zonen gebildet. Bei der Durchwegung des Quartiers eröffnen sich somit immer neue Blicke ins Grüne, sowohl nach Osten in Richtung Aue als auch nach Westen in die grünen Höfe. Über die privaten Freisitze, die jeder Wohnung zugeordnet sind, wird die Verbindung mit dem Außenraum weiter gestärkt.
3. Eine Achse – fünf Höfe mit Wohngruppen– vierzehn Baukörper
Mit 14 Baukörpern eines Gebäudetyps in unterschiedlicher Ausrichtung und einer Systemgarage haben wir die städtebauliche Struktur des Quartiers entlang der Achse entwickelt. Die Körnung ist, im Vergleich zur umgebenden Bestandsbebauung, weitaus feiner und interpretiert so die neue Gartenstadt mit System. Hier ist der Mensch der Maßstab. Entlang der Achse haben die Baukörper vier Geschosse, alle anderen sind mit drei Geschossen als Übergang zur Landschaft geplant. Der Auftakt erfolgt an der Tallinner Straße mit dem grünen Hof und dem hybriden Gebäude für Werken, Wohnen und Parken (Car- und Bike-Sharing, Stellplätze für Fahrräder, barrierefreie Parkplätze, Parken für das Restaurant). Hier sind die Sonderwohnformen geplant, das Dach der Parkgarage ist mit einem Spielfeld und Bereichen des Urban Gardening für die Aktivitäten von Jugendlichen vorgesehen. Am Quartiersplatz wird die Wohnnutzung ergänzt um Räume für Kinder und Nachbarn. In diesen gemeinschaftlich nutzbaren Quartiersräumen können Spielgruppen, Hausaufgabenbetreuung, Computerkurse und vieles andere mehr stattfinden. Die weiteren Höfe sind für die gemeinschaftliche Nutzung durch die Nachbar*innen offen. Die Setzung der Gebäude schafft überschaubare Nachbarschaften und fördert so die Integration und die Begegnung untereinander. Mit dem neuen Quartier erhält der Stadtteil ein Leuchtturmprojekt, das im Rahmen der BUGA und IBA viel Leben bringt.

KONZEPT SERIELLES / MODULARES BAUEN
Ein Baukörper mit den Maßen 12,50 m x 17,50 m mit einer effizienten Raumstruktur ist die Grundlage für die serielle Bauweise. In diesem Punkthaus gruppieren sich in flexibler Anordnung, orientiert an einem Achsraster, die geforderten Wohnungstypen als 2- bzw.- 3-Spänner um das innenliegende Treppenhaus. Die Bäder sind identisch, jede Wohnung wird über einen Schacht versorgt. Die Ausrichtung des Baukörpers kann variieren. Alle Wohnungen sind durchgesteckt bzw. zweiseitig orientiert und erhalten so eine optimale Belichtung. Konstruktiv ist eine monolithische Bauweise für die Außenwände in Kombination mit Halbfertigteilen für Decken und tragende Innenwände geplant. Alternativ wäre auch eine Hybridbauweise möglich. Die Bäder können als vorproduzierte Elemente eingesetzt werden. Die Fassaden werden, einem Farbkonzept folgend, verputzt. Auch die Fensterformate sind standardisiert und als stehendes sowie quadratisches Format geplant. Somit steht ein Systembaukasten zur Verfügung, der flexible Baukörper, Fassaden und Grundrisse ermöglicht. Auf Grund der Vorproduktion sowie des hohen Wiederholungsfaktors bleiben die Baukosten gering – ein optimaler Siedlungsbaustein für den Sozialen Wohnungsbau.

KONZEPT WOHNEN
Insgesamt planen wir 100 Wohneinheiten unterschiedlicher Größe, entsprechend des Wohnungsschlüssels. Mit der Flexibilität der Anordnung der WE ist eine gute Durchmischung möglich – bezogen auf ein Gebäude sowie auf die Wohngruppen. Zusätzlich ist die Schaffung sog. Studios vorgesehen. Dies sind weitere Räume, die von den Mietern angemietet werden können: z.B. als Arbeitszimmer, für die Pflegekraft, die Oma oder einfach als Erweiterung der angrenzenden Wohnung. Im Erdgeschoss sind am Quartiersplatz Räume vorgesehen, die sowohl gewerblich als auch durch die Nachbarschaft genutzt werden können. Zudem befinden sich im EG die Hausanschlussräume sowie Absteller für Kinderwägen und Rollatoren. Die Erschließung der Gebäude erfolgt barrierefrei über den Hof, somit ist eine klare Adressbildung gegeben. Jedes Treppenhaus ist mit einem Aufzug ausgestattet. Dadurch ist die barrierefreie Erschließung aller Wohnungen möglich, gerade auch für die mobilitätseingeschränkten Besucher*innen. Die Sonderwohnformen, wie betreutes Wohnen für Jung und Alt, sind am Eingang des Quartiers verortet.

Rettungswegekonzept
Über die zentrale Achse kann die Feuerwehr alle 4-geschossigen Gebäude erreichen und verfügt über die notwendigen Aufstellflächen. Für die 3-geschossigen Wohnhäuser ist die Anleiterung mit der Steckleiter möglich, da die Brüstungen unter einer Höhe von 8 m liegen.

KONZEPT FREIRAUM
Von der Tallinner Straße führt eine zentrale Promenade durch die Gartenstadt zum neuen Park. Die notwendigen Kfz-Stellplätze incl. von drei Stellplätzen für behinderte Menschen sind in der erdgeschossigen Garage untergebracht über der sich ein Wohngebäude mit Dachgarten erhebt. Diese architektonische Lösung wahrt die städtebauliche Körnigkeit des Quartiers. Wie die Form eines Blattes öffnet sich die Promenade zu wechselständigen Hofplätzen, die jeweils von einer Dreiergruppe Gebäude gefasst werden. Diese Gebäudeanordnung ermöglicht mit Verengungen und Aufweitungen einen sehr lebendigen öffentlichen Raum für die Gartenstadtgemeinschaft und schafft in den rückwärtigen Bereichen wechselnd große Gartenterrassen, die von niedrigen Mauern und Stufen begrenzt sind. Querverbindungen zwischen der Siedlung am Moskauer Platz und dem neuen Park öffnen das Quartier auch für die weitere Nachbarschaft. Die Verzahnung von Architektur und unterschiedlichen Freiräumen bildet zu den anliegenden großmaßstäblichen Siedlungen mit ihrer Plattenbebauung im Übergang zur neuen Parklandschaft einen in der Kubatur und den Proportionen als angenehm zu empfindenden Lebensraum. Die Hofplätze mit Kräuter- und Blumenbeeten sowie einer großen Tafel und einem individuellen Baum betonen den gemeinschaftlichen Charakter der Anlage, während der rückwärtige Bereich mit den Gartenterrassen sich individuell auf die einzelnen Gebäude bezieht. Neben dem bespielbaren, autofreien Erschließungsweg und den Hofplätzen sind Sandspielbereiche und altersgerechte Geräte an den Rändern und Übergängen zur Parklandschaft vorgesehen.

NACHHALTIGKEIT / WIRTSCHAFTLICHKEIT
Bei der Planung der Gebäude setzen wir einen hohen Wiederholungsfaktor an. Der Gebäudetyp ist in der Gebäude- und Grundrissstruktur einfach, gleichartig und dementsprechend seriell aufgebaut – eine wichtige Grundlage für ein kostenbewusstes Planen und Bauen. Insgesamt wird durch die Wiederholung und Standardisierung von Wohnungen und Bauteilen ein kostengünstiger Wohnungsbau mit kurzer Bauzeit ermöglicht. Die Setzung der Gebäude lässt im Sinne der Gartenstadt viel Freiraum für den Grünraum und ermöglicht neue Lebensräume auch für Tiere und Insekten. Ein gutes A/V-Verhältnis der Baukörper unterstützt den Gedanken der Nachhaltigkeit. Ergänzt wird das energetisch effiziente Konzept durch die Nutzung der Fernwärme, Versickerung von Regenwasser und einer extensiven Dachbegrünung. Eine Übererfüllung der EnEV kann in der weiteren Planung überprüft werden. Die zentrale Station für die haustechnischen Anschlüsse ist im Hybridbau vorgesehen, von hier werden die einzelnen Gebäude erschlossen. Mit den Sharing-Angeboten im Quartier kann der MIV weiter reduziert und damit ein weiteres Angebot zur Nachhaltigkeit gemacht werden. Die zentrale Achse als Shared-Space fördert die Nutzung der Freiräume durch Fußgänger*innen und Radfahrer*innen und unterstützt das Anliegen, das Quartier autofrei zu halten.