SAALBURG-EBERSDORF SEESPORTZENTRUM

Nichtoffener hochbaulicher und freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb
Auslober Landessportbund Thüringen e.V.
Mit KuBuS Freiraumplanung
Juli 2020

Heinz, Helga und Hedi

Jugendfreizeiten und Klassenfahrten sind kleine Abenteuer. Wer schmuggelt die Chips, wer die Bluetooth Box? Dem Alltag entkommen, fernab von Hausaufgaben und Eltern, machen wir prägende Erfahrungen und finden Freunde fürs Leben. Unser Entwurf für die Erweiterung des Seesport- und Erlebnispädagogischen Zentrums bietet all dem Raum.

Bestand und Neubau Städtebau

Auf dem Gelände finden wir bereits zwei eigenwillige Charaktere vor. Das trutzige Bootshaus („Heinz“) hält sich im Gelände fest und hält aus kleinen Fenstern den See im Blick. An seiner Seite liegt an der grünen Wiese das Hausboot „Helga“ vor Anker. Es ist ein aufregender Ort mit aufregenden Eindrücken.

Unser Entwurf hebt diese Qualitäten hervor. Das Bettenhaus, welches an das Bootshaus angegliedert war, wird abgerissen, Schuppen und Vordächer entfernt. Das Bootshaus verbleibt als klarer Solitär. Es erhält zwei neue Begleiter zu beiden Seiten, zwei zum See orientierte Riegel.

Auf der Nord-Ost-Seite wird das Gelände geebnet und bietet nun Raum für Volleyball und Bogenschießen. Den entstandenen Geländeversprung fasst ein Riegel als neues Bootslager und Sanitärräume für das angrenzende Campinggelände.

Auf der Süd-West-Seite des alten Bootshauses liegt der Riegel für das Gruppenhaus („Hedi“). Helga wird an die westliche Grundstücksgrenze geschleppt und fasst mit dem Gruppenhaus eine Sonnenwiese ein.

Im zweigeschossiger Gruppenhaus in Holzbauweise sind Seminar- und Schlafräume untergebracht. Der Haupteingang ist zur Südseite mit der Erschließung orientiert, auf der Seeseite überblicken eine Terrasse, ein Balkon im ersten Stock, und ein Deck auf dem Dach das Wasser.

Raum und Organisation Gruppenhaus

Wir betreten das Gruppenhaus durch den Haupteingang an der Süd-Ost-Seite des Gebäudes über einen großzügigen Vorplatz.

Das Foyer öffnet sich zum See. Linker Hand lockt der Speisesaal mit offener Küche zum gemeinsamen Essen. Außerhalb der Essenszeiten kann der Raum für Gruppenaktivitäten genutzt werden. Bei gutem Wetter wird draußen gegessen, je nach Tages- und Jahreszeit auf dem Vorplatz im Süden oder auf der Seeterrasse.

Rechter Hand des Foyers, vorbei an WCs und Waschräumen, liegt der erste von vier Gruppenbereichen im Gebäude. Alle Bewegungsflächen des Gebäudes sind mind. 1,50m breit und somit sind sämtliche Bereiche bis hin zu den Kojen inklusiv für alle besuchenden Menschen nutzbar. Ein Aufzug erschließt die drei Geschosse.

Die Gruppenräume sind in Cluster gegliedert, minimale Schlafkojen mit Stockbetten, die an eine frei konfigurierbare Lounge angrenzen. Die Lounge ist zur sonnigen Südseite ausgerichtet und passt sich an verschiedene Nutzungen an: Für Seminare wird seine ganz Fläche genutzt. Für kleinere Runden oder auch um nachts aufzubetten werden mit Schiebetüren Räume abgetrennt. Schwärmende Möbel dienen tagsüber zum Sitzen und Loungen und können zum Aufbetten zu Betten zusammengestellt werden. Die Kojen orientieren sich zur Seeseite und bieten direkten Zugang auf die Terrasse bzw. im ersten Obergeschoss den Balkon.

Im Foyer erschließt eine Treppe das erste Obergeschoss mit Büro und den übrigen drei Gruppen-Clustern. Der Cluster in der Mitte ist schmaler, mit einer zum See orientierten Lounge. Hier werden die Kojen über Oberlichter natürlich belichtet und belüftet. Direkte Zugänge vom Flur ermöglichen eine individuelle Nutzung dieser Kojen. Durch Schiebetüren im Bereich der Lounge können die Kojen als Zimmer am Balkon erweitert werden. Der Balkon auf der Seeseite bildet nicht nur den Außenraum für die drei Gruppen-Cluster und den notwendigen zweiten Rettungsweg sondern auch den Zugang über die außenliegende Treppe auf das Deck auf dem  Dach. Von dort schweift der Blick über See und Landschaft.

Material und Konstruktion

Das Gebäude wird in Holztafelbauweise erstellt. Auch die Massivbaudecken bestehen aus Holz. Die Aussteifung erfolgt über Decken und Außenwände.

Die Holzbauweise zeichnet sich durch Einfachheit und Systematik in Planung und Realisierung aus und spart dadurch Kosten. Dank einem hohen Vorfertigungsgrad wird eine hohe Ausführungsqualität unter Erfüllung höchster bauphysikalischer Anforderungen erreicht. Eine stehende Holzverschalung bildet die äußere Hülle und den Wetterschutz.

In den Innenräumen ist die haptische Qualität des Holzes erlebbar. Alle Oberflächen sind offenporig ausgeführt, was für optimales Raumklima sorgt. Alle Fenster können zur natürlichen Belüftung geöffnet werden.

Energie

Das energetische Konzept sieht einen kompletten Verzicht auf fossile Energieträger vor. Es ist eine maximale Nutzung erneuerbarer Energien vorgesehen: Geothermie und Sonnenenergie.

Der zur Beheizung des Gebäudes und für die Warmwasserbereitung erforderliche Heizwärmebedarf wird durch Erdwärme gedeckt. Im Sommer wird die Geothermie zur passiven Kühlung des Gebäudes eingesetzt.

Die Brennstoffzellen erzeugen Strom und Wärme mit Biogas, das idealerweise aus der angrenzenden Kläranlage stammt. Unterstützt werden sie dabei durch eine thermische Solaranlage mit Hybridelementen auf dem Dach über dem 1.Obergeschoss. Über das Deck auf dem Dach ist dieser Aspekt des Gebäudes direkt erlebbar. Der selbst erzeugte Strom wird in Stromspeichern zwischengespeichert.

Die Wärmeenergie zur Erzeugung des Warmwassers wird in Pufferspeichern zwischengespeichert.

Die Fenster sind so gestaltet, dass eine ausreichende Lüftung am Tage sowie eine Nachtlüftung möglich sind. Auf Anlagen zur mechanischen Be- und Entlüftung kann außerhalb der Küche deshalb verzichtet werden. Das Lüftungsgerät für die Küche erreicht durch die Kombination von einer Wärmepumpe mit einer Heatpipe, also aktiver und passiver Wärmerückgewinnung eine Effizienz von fast 100% und der Wärmezufuhrbedarf reduziert sich in den kalten Wintermonaten auf ein Minimum.

Das Gebäude wird mit energiesparender sowie präsenz- und tageslichtabhängiger LED-Technik beleuchtet.

Auf der Süd-Ost-Seite wird das Gebäude mit einem außenliegenden textilen Sonnenschutz ausgestattet. Dieser wird mittels Regen-, Wind- und Sonnensensor so gesteuert, so dass die sonnenbeschienenen Räume optimal verschattet werden.

Das Regenwasser wird einer Zisterne gesammelt und dient zum Spülen der WCs und zur Gartenbewässerung.

All diese Stoff- und Energiekreisläufe sind im Gebäude erfahrbar und vermitteln bilden einen Baustein der Umweltbildung des SEZ.

Freianlagen

Auf Grundlage der vorhandenen Topographie und der architektonischen Setzungen entstehen zwei klar definierte, nutzungsoffene Freibereiche. Sie bieten Raum für Gruppenaktivitäten sowie zahlreiche Rückzugsorte und Kommunikationsangebote für Kleingruppen. Durch das Versetzen von Helga und die Auslichtung des Baumbestands entstehen zusätzliche Blickbeziehungen zum See.

Das Raumprogramm für die Freianlagen wird in Gänze abgebildet.

Ein besonderer Ort ist das Dach des Bootslagers mit der überdachten Außenküche. Das exponierte Deck ist Seeterrasse, Beach-Bar und Sommer-Speisesaal in einem. Die auf dem Grundstück verteilten kleinen Sitzlandschaften sind als mobiles, modulares System aus Kanthölzern konzipiert, welches über verblattete und verzapfte Verbindungen werkzeuglos frei konfiguriert werden kann.

Der seeseitige vom SEZ genutzte Bereich außerhalb des Bearbeitungsgebiets wird mit punktuellen und nicht ortsfesten Maßnahmen aufgewertet, der terrassierte Zeltplatz etwas erweitert. Der Baumbestand nördlich des Bootshauses bietet sich für einen Niedrigseilgarten an.

Erschließung und Stellplätze

Die Erschließung des SEZ und der rückwärtigen Grundstücke erfolgt von Südwesten über eine gemeinsame Trasse parallel zum Radweg. Entlang der Grundstücksgrenze sind ein Busstellplatz und 17 PKW-Stellplätze angeordnet. Die Verkehrsartentrennung über den Belagswechsel garantiert ein hohes Maß an Verkehrssicherheit.

Durch die Aufweitung im Zugangsbereich entsteht für Fuß- und Radverkehr ein einladender Vorplatz mit Sitzbank und 22 Fahrradabstellplätzen. Die Zufahrt zum Wasser, dem Zeltplatz und den Lagerräumen erfolgt über die mittige Erschließungsachse. Die Bewegungsflächen vor Bootshaus und -lager sind der Funktion entsprechend großzügig dimensioniert.

Das Gelände ist über einen Treppenlift neben dem Bootshaus und einen mäandernden Weg bis zum unteren Zeltplatzniveau barrierefrei erschlossen.

Das übersichtliche Flächenlayout bildet ein solides räumliches Gerüst mit Entwicklungspotenzial für Erweiterungen oder Neuorganisation. Ein weiterer Baustein sind regionale, langlebige Materialien wie Polygonalplatten aus Thüringer Travertin und heimische Harthölzer.